Würzburger Infektionsbiologe erhält Leibniz-Preis 2017

Portrait des Infektionsforschers Jörg Vogel

Professor Jörg Vogel ist Direktor des Instituts für Molekulare Infektionsbiologie an der Universität Würzburg. (Quelle: Leopoldina)

Interview mit Prof. Jörg Vogel, Infektionsforscher aus Würzburg

Der Würzburger Infektionsforscher Jörg Vogel ist einer der zehn Leibniz-Preisträger 2017. Im Interview mit systembiologie.de erklärt er, was RNA-Medikamente sind und warum der Weg zu einer personalisierten Medizin nicht mehr weit ist.

systembiologie.de: Sie gehören zu den Preisträgern des Leibniz-Preises 2017. Er gilt als eine Art deutscher Nobelpreis. Was bedeutet die Auszeichnung für Sie?

Prof. Dr. Jörg Vogel: Das passiert einem nur einmal im Leben. Der Leibniz-Preis ist die höchste Auszeichnung, die ein Wissenschaftler in Deutschland erhalten kann. Man muss nominiert werden, und bei der Vergaberunde für 2017 sind aus 134 Nominierungen letztendlich zehn Preisträger ausgewählt worden. Dass ich zu diesen zehn dazugehöre, ist natürlich eine große Ehre für mich. Das zeigt auch, dass unsere Forschung national und international sehr sichtbar ist. Ich sehe es auch als eine Anerkennung dafür, dass wir ein bestimmtes Forschungsfeld maßgeblich mit vorangebracht haben.

Was ist der Schwerpunkt Ihrer Forschung?

Bei uns dreht sich alles um RNA. Diese kleinen Moleküle sind an allen möglichen Prozessen in der Zelle beteiligt und stehen im Zusammenhang mit vielen Krankheiten. Die RNA ist dabei in der Zelle für die Umsetzung der genetischen Informationen, aber auch für die Feinregulation der Genaktivität zuständig. Neben einem besseren Verständnis der Abläufe in der Zelle interessiert uns insbesondere die Rolle von RNA bei Infektionen. In der Infektionsbiologie will man immer zwei Sachen erreichen. Der Erreger soll zurückgedrängt und der Wirt besser gegen die Infektion geschützt werden. Bei beiden Prozessen spielen RNA-Moleküle eine Rolle. Mit einer von uns entwickelten Methode können wir etwa im Detail beobachten, welche Gene eines Erregers bei einer Infektion an- oder abgeschaltet sind und was daraufhin im Wirt passiert. Diese Erkenntnisse liefern uns völlig neue Angriffspunkte für Therapien.

Warum ist die Suche nach neuen Therapien so wichtig?

Erreger wie Bakterien ändern ständig ihr Erbgut. Herkömmliche Antibiotika verlieren deshalb oftmals ihre Wirkung. Mit RNA-Molekülen können wir programmierbare Medikamente entwickeln und damit im Gegensatz zu Antibiotika auch gezielt eine bestimmte Bakterien-Spezies angreifen. Mit Antibiotika tötet man dagegen in der Regel gleich eine ganze Reihe von Bakterien ab, also auch solche, die durchaus nützlich für den Menschen sind.

"Genome Editing rückt die Heilung schwerer Krankheiten in greifbare Nähe"

Wissen Sie schon, wofür Sie das Preisgeld von 2,5 Millionen Euro einsetzen möchten?

Ich habe mir in den vergangenen Tagen natürlich Gedanken gemacht. Das Schöne ist, dass man den Preis nicht schon mit 19 verliehen bekommt. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die mir nun helfen. Ich möchte das Preisgeld nicht per Gießkannen-Prinzip auf meine aktuellen Forschungsprojekte verteilen. Es ist vielmehr eine einmalige Gelegenheit für mich, große ungelöste Fragen gezielt anzugehen. Zwei Ideen liegen mir dabei besonders am Herzen: zum einen der Zusammenhang zwischen bestimmten Bakterien und der Entstehung von Darmkrebs und zum anderen die Verabreichung unserer RNA-Medikamente. Diese können nur in den Zellen wirken, aber da müssen wir sie erstmal hin- und dann auch hineinbekommen. Unser Ziel wäre natürlich, dass unser RNA-Medikament nur in die infizierten Zellen eindringt und auch nur dort wirkt.

Das Bundesforschungsministerium hat verschiedene Ihrer Projekte unterstützt. Welche Rolle spielte die Förderung für Ihre Arbeit?

Ohne BMBF-Mittel hätte ich viele meiner Forschungsvorhaben nicht umsetzen können. Die Förderung hat die Entwicklung neuer Methoden zur RNA-Sequenzierung von Krankheitserregern erst möglich gemacht. Aus diesen Projekten ist wiederum eine Reihe von Nachwuchswissenschaftlern hervorgegangen, die diese Methoden nun für andere biomedizinische Anwendungsgebiete nutzen und weiterentwickeln.

Der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm Leibniz hat einmal gesagt, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben. Wie sähe die bestmögliche Welt für Sie aus?

Aus biomedizinischer Sicht leben wir bereits in einer hochspannenden Zeit. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo vieles möglich erscheint. Methoden wie Genome Editing rücken die Heilung schwerwiegender Krankheiten in greifbare Nähe. Dabei ist mir eine offene Forschungskultur enorm wichtig. Wir müssen über die Chancen, aber auch die Risiken dieser neuen Methoden einen offenen Dialog führen, der die Gesellschaft genauso einbezieht wie die Wissenschaft. Die Chancen sind immens. Der Weg zu einer personalisierten Medizin scheint nicht mehr weit zu sein.

Das Interview führten Gesa Terstiege und Melanie Bergs.

Kontakt

Prof. Dr. Jörg Vogel
Institut für molekulare Infektionsbiologie
Universität Würzburg
joerg.vogel@uni-wuerzburg.de
www.imib-wuerzburg.de