MTZ-Award für drei junge Systembiologen - Preisträger Frank Stefan Heldt im Interview

Die Preisträger des MTZ-Awards 2016 stehen fest: Die drei Nachwuchswissenschaftler Franziska Witzel, Jörn Schmiedel und Frank Stefan Heldt konnten die Jury mit ihren herausragenden Dissertationen auf dem Gebiet der medizinisch orientierten Systembiologie überzeugen. Der Preis soll vielversprechenden jungen Forschern eine besondere Sichtbarkeit und öffentliche Anerkennung verschaffen. Hierzu arbeitet die MTZ-Stiftung mit dem Bundesforschungsministerium sowie dem Projektträger Jülich zusammen. Frank Stefan Heldt hat den Lebenszyklus von Influenza-Viren untersucht. Mit systembiologie.de spricht er über seine Arbeit und die Bedeutung der Auszeichnung für seine Forschung.

systembiologie.de: Was war das Thema Ihrer Doktorarbeit?

Frank Stefan Heldt: Ich habe mich mit der Vermehrung von Influenza-Viren und deren Bekämpfung beschäftigt. Das Virus verursacht Infektionen der oberen Atemwege, die auch als Virusgrippe bezeichnet werden. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass jährlich bis zu 15 Prozent der Weltbevölkerung mit Influenza-Viren infiziert werden, es gibt pro Jahr bis zu 500.000 Todesfälle. In meiner Doktorarbeit habe ich den Lebenszyklus des Virus genauer untersucht. Ich wollte Schwachstellen identifizieren, die sich als Angriffspunkte für antivirale Medikamente eignen. Dabei habe ich sowohl Methoden der Virologie als auch der Ingenieurwissenschaften und der Systemtheorie genutzt. Ich habe realitätsnahe Computermodelle erstellt, mit denen man nachvollziehen kann, wie sich das Virus in einer Wirtszelle vermehrt, wie es seine Erbinformationen einschleust und wie diese Prozesse zur Ausbreitung des Virus führen.

Welchen Nutzen könnte Ihre Forschung für den Patienten haben?

Das Problem bei Influenza-Viren ist, dass es im Moment nur zwei Klassen von Medikamenten gibt, die für den Menschen zugelassen sind. Eine dieser Klassen ist bereits unwirksam, weil sich die Viren angepasst haben. Resistenzen gegen die zweite Klasse wurden bei bestimmten Virusstämmen ebenfalls schon beobachtet. Deswegen ist es sehr wichtig, neue Medikamente zu finden, um das Virus möglichst breit bekämpfen zu können. Wir haben unsere Computermodelle mit einer Vielzahl von Messdaten gefüttert, aus dem Labor und aus der Literatur. Dabei konnten wir mehrere Targets in der Zelle identifizieren, die besonders vielversprechend für eine Behandlung wären. Wir hoffen, dass solche Ansätze dabei helfen, schneller neue Wirkstoffe und Therapieformen zu entwickeln. Zukünftig könnten diese Modelle zudem als Grundlage dazu dienen, maßgeschneiderte Therapien für einzelne Patienten zu berechnen und die Gefährlichkeit neu auftretender Virusstämme einzuschätzen, etwa ob sie eine Epidemie auslösen könnten.

Sie sind inzwischen an die Universität in Oxford gewechselt. Wie geht es mit Ihrem Projekt weiter?

Meine Kollegen vom Max-Planck-Institut in Magdeburg arbeiten weiter daran. Ich selbst habe die Forschungsrichtung gewechselt, bin aber der Modellierung und der Systembiologie treu geblieben. Als Postdoc in Oxford beschäftige ich mich jetzt mit dem Zellzyklus. Ich versuche zu verstehen, wie sich Zellen teilen und wie Krebs entsteht.

Wie sind Sie zur Systembiologie gekommen?

Ich habe Biosystemtechnik an der Universität Magdeburg studiert. Der Studiengang ist interdisziplinär angelegt, beinhaltet eine ganze Reihe von Vorlesungen in Ingenieurwissenschaften, aber auch in Biologie. Die Ausbildung ist damit auf die systembiologische Forschung ausgerichtet.

Was bedeutet der MTZ-Award für Sie und Ihre Arbeit?

Ich freue mich natürlich sehr über die Auszeichnung. Irgendwann einmal möchte ich meine eigene Arbeitsgruppe leiten. Da hilft der Award natürlich dabei, die Aufmerksamkeit auf die eigene Arbeit zu lenken. Zudem hat die Systembiologie enorm zu unserem Verständnis biologischer Prozesse beigetragen. Und ich hoffe, dass mit der Auszeichnung für diese spezielle Doktorarbeit noch einmal das Potential der Systembiologie für die Influenza-Forschung und die Virologie im Allgemeinen sichtbar wird. Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn das auch andere junge Wissenschaftler motiviert, klassische virologische Fragestellungen aus der systemtheoretischen, ingenieurwissenschaftlichen Perspektive zu betrachten. Die Entwicklung neuer Medikamente braucht dringend solche interdisziplinären Ansätze.

Das Interview führten Gesa Terstiege und Melanie Bergs.