Gene Myers baut Werkzeuge für Zellbiologen

Gene Meyers in seinem Büro

Gene Meyers in seinem Büro im MPI-CBG in Dresden (Quelle: M. Colindres).

Der Max-Planck-Direktor im Portrait

Von Miriam Colindres

Bekannt ist er unter anderem für die Entwicklung von BLAST, dem weltweit am meisten genutzten Programm zur Analyse biologischer Sequenzdaten. Seine Arbeiten trugen auch zum frühen Abschluss des Humangenomprojekts bei. Gene Myers, Mathematiker und Informatiker, entwickelt computergestützte Methoden und Technologien, die die Lösung biologischer Probleme ermöglichen. Als Direktor einer Forschungsgruppe für Bildanalyse und Mikroskopie am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden (MPI-CBG) und als Gründungsdirektor des neuen Zentrums für Systembiologie (CSBD: center for systems biology dresden) verfolgt er ein Ziel: leistungsstarke interdisziplinäre Teams schaffen, die Zellbiologen dabei unterstützen, in einem systembiologischen Ansatz  aktuelle Fragestellungen der Zellbiologie zu lösen.

Den Einstieg in die Sequenzbiologie fand Myers, als wenige Jahre nach seiner Promotion der Biologe David Mount einen Informatiker als Partner suchte, um ein Zentrum für Bioinformatik zu gründen. Myers stieg ein und widmete sich fortan immer mehr der Biologie. „Mir gefiel der Austausch mit den Biologen, Wissenschaftlern einer anderen Kultur, und ich genoss die Offenheit und Kreativität“, erzählt er. Den Eindruck, dass man wissenschaftlichen Austausch am MPI-CBG in Dresden gut leben kann, bekommt man bereits im Eingangsfoyer des modernen Forschungsgebäudes: Ein großer offener Cafeteria-Bereich mit vielen Sitzgelegenheiten lädt dazu ein, direkt am Morgen bei einem ersten Kaffee mit den Kollegen ins Gespräch zu kommen. „Aus diesem Grund haben wir keine Kaffeemaschinen in den Arbeitsgruppen“, verrät Myers. „Hier ist es erwünscht, dass man zum Kaffeetrinken sein Büro verlässt und den Kollegen über den Weg läuft.“ Regelmäßige Diskussionen mit den Kollegen seien ein Grundpfeiler für interdisziplinäres Arbeiten. Gerade in der Entwicklungs- und Zellbiologie sei das wichtig, da man sich mit sehr komplexen Systemen befasst, so Myers. „Wenn man Zellen, Gewebe und Organismen studiert, wie es hier am MPI-CBG der Fall ist, befasst man sich mit Physik kondensierter Materie“, erklärt er. Er fasziniert sich besonders für das Thema der molekularen Selbstorganisation. „Es handelt sich um sehr komplexe Physik, und die Skalen, die benötigt werden, sind so groß, dass man ohne Modellierung und Informatik nicht auskommt.“

Das MPI-CBG in Dresden verfolgt die Mission „Von Zellen zum Gewebe.“ Es ist kein Zufall, dass Myers nach seiner Karriere in der DNA-Sequenzierung in die Zellbiologie wechselte. „Nach der Sequenzierung des Genoms in 2002 beschäftigte sich so ziemlich jeder mit Genomik und Expressionsanalysen“, erzählt Myers, „ehrlich gesagt, selbst wenn ich für die Sequenzierung des Ge-noms mitverantwortlich bin, habe ich mir gedacht, dass es nicht möglich ist, das alles zu verstehen, indem wir weiter Genome sequenzieren oder einfach auf die Gesamtexpression schauen.“ Myers wollte verstehen, was die Einheiten, die durch das Genom geschaffen werden, in der Zelle tun. Aus Graphen und Teillisten könne man zwar manchmal aussagekräftige Schlüsse über die Funktionsweise eines Systems ziehen, aber oft liege man auch falsch und es sei einfach nicht ausreichend, um das Leben an sich zu erklären.

Obwohl Myers bereits ein Experte für Genomik war, beschloss er nach Abschluss des humanen Genomprojekts in das Fachgebiet der Bildgebung zu wechseln und sich einer neuen Klasse an Computeralgorithmen und Methoden zu widmen. Die Chance dazu bekam er in Janelia Farm, dem Howard Hughes research campus in Virginia. „Ich war dort vollkommen frei wieder ein Postdoc zu sein“, erzählt Myers. Thematisch beschäftigte er sich dort mit Mikroskopie und Bildanalyse für die Neurobiologie, bis sich ihm 2012 in Dresden die Möglichkeit eröffnete, zurück zur Zell- und Entwicklungsbiologie zu wechseln. Am MPI-CBG verfolgt er das Ziel, zu verstehen, wie Zellen sich im Gewebe koordinieren und wie diverse molekulare Komponenten sich zu ganzen Zellen zusammensetzen. Für Gene Myers bedeutet das, dass man Zeit und Raum mit einbeziehen, über physikalische Kräfte nachdenken und zum Beispiel auch Phasenübergänge berücksichtigen muss. Eine Herausforderung, die seiner Meinung nach nur von leistungsstarken Teams aus Physikern, Informatikern und Biologen bewältigt werden kann.

"Wenn man eine 99-prozentige Lösung haben möchte, ruft man mich an"

Gene Myers schafft Werkzeuge, die Biologen ihre Arbeit erleichtern und manchmal sogar erst ermöglichen. Er betont, dass er selbst keine biologischen Fragen stelle, er sei ein Technologe, der Plattformen erschaffe. Seine Forschungsgebiete sind optische Technik, Bioimaging, Informatik und in einem gewissen Maß auch Modellierung. Myers und sein Team aus Informatikern und Physikern entwickeln Software für die Datenerfassung in Mikroskopie und anderen Bildgebungsverfahren und bauen maßgeschneiderte Lichtmikroskope. „Kaum einer untersucht ein Gen z. B. in einem transgenen Tier quantitativ und erstellt ein Modell über das, was er im Mikroskop sieht“, sagt Myers. „Unsere Technologien ermöglichen das.“ Myers interessiert sich besonders für die Verfolgung von langen Entwicklungsachsen, z. B. die Entwicklung des Fadenwurms, die Embryonalentwicklung und

„Nehmen wir Drosophila als Beispiel, innerhalb von 24 Stunden entwickelt sich aus der befruchteten Eizelle eine vollständig entwickelte Larve, die aus etwa 100.000 Zellen besteht. Ich wäre gern in der Lage, dem Genom dabei zuzuschauen, wie es auf Zell-zu-Zell-Basis exprimiert wird, auf dem Weg von einer zu 100.000 Zellen“, sagt Myers. Seine Vision sind zelluläre Atlasse von Geweben und Organismen, die mit molekularen Informationen annotiert sind. C. elegans, der Fadenwurm, sei ein besonders gut geeigneter Modellorganismus, da das Entwicklungsschicksal der einzelnen Zellen sehr früh festgelegt ist. Da läge es auf der Hand, einen Zellatlas zu erstellen. Mit so einem Atlas könnten z. B. transgene Konstrukte unter dem Mikroskop beobachtet werden und molekulare Annotationen wie z. B. Zeitpunkt einer Genaktivierung in Echt-Zeit durchgeführt werden. Myers Ziel ist es, zelluläre Entwicklungsbiologie zu digitalisieren und zu quantifizieren. Von seiner Arbeit profitieren Kollaborationspartner, die auf Algorithmen und Software angewiesen sind, um Bilder zu extrahieren und zu interpretieren.

In einem aktuellen Projekt soll ein Modell für die Entwicklung des Flügels von Drosophila erstellt werden. Jede einzelne Zelle soll über einen Zeitraum von 18 Stunden verfolgt werden, insgesamt 20.000 markierte Zellen. Zu Beginn des Projekts dauerte es mit der bis dato verfügbaren Software einen Monat, die Daten zu prozessieren. Eine sehr limitierende Zeitspanne, wenn Perturbationen am Organismus durchgeführt werden sollen und jedes Experiment wieder einen Monat in Anspruch nimmt. Gene Myers arbeitet an einer Lösung, die dasselbe an einem Tag bewerkstelligen kann und das mit einem sehr hohen Leistungsgrad. „Wir haben in meiner Gruppe einfach die nötige Expertise. Es ist einfach, eine 80-Prozent-Lösung zu erreichen, aber wenn man eine 99-Prozent-Lösung haben möchte, dann ruft man mich an.“

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Kontakt

Prof. Dr. Eugene Myers
Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik Dresden
myers@mpi-cbg.de
www.mpi-cbg.de