Nachwuchsförderung in der Systembiologie

Bernd Schmeck bei der Arbeit. (Quelle: 5D fotografie, T. Doerke)

Drei junge Wissenschaftler blicken zurück

Grenzgänger waren sie von Anfang an. Früh haben sie den Blick über den Tellerrand der eigenen Disziplin geworfen. Doch Interesse allein reicht nicht aus, interdisziplinäre Projekte erfordern Zeit und Geld. Um junge Systembiologen auf diesem Weg zu unterstützen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderinitiative „FORSYS – Forschungseinheiten der Systembiologie“ 22 Nachwuchsgruppen bis zu fünf Jahre lang finanziert. Die Unterstützung junger Wissenschaftler ist bis heute ein fester Bestandteil der Systembiologie-Förderung, unter anderem bei der aktuell laufenden Maßnahme „e:Bio – Innovationswettbewerb Systembiologie“. Im Gespräch blicken drei junge Wissenschaftler aus dem FORSYS-Programm zurück auf ihre Anfänge in der Systembiologie und erklären, was sie an diesem Forschungsfeld fasziniert.

DER MEDIZINER

„Modellierung ist die gnadenlose Überprüfung unserer Hypothesen“

systembiologie.de: Was kann die Systembiologie für Ihre Forschung leisten?

Prof. Dr. Bernd Schmeck: Mein Spezialgebiet sind Lungen-Erkrankungen: Dazu zählen allergische Krankheiten wie Asthma, Infektionskrankheiten wie Lungenentzündungen und umweltbedingte Lungenerkrankungen wie COPD, die sogenannte Raucher-lunge. All diese Krankheiten werden durch eine Entzündungsreaktion in der Lunge hervorgerufen. Für die Krankheitsbilder haben wir experimentelle Modelle entwickelt und relevante Regulationsmechanismen untersucht. Es ist wichtig zu verstehen, an welchen Stellen die an sich sinnvolle Entzündungsreaktion aus dem Ruder läuft. Dort wollen wir systembiologisch ansetzen, um neue Therapien zu entwickeln.

Was fasziniert Sie an der Systembiologie?

Dass sie uns völlig neue Arbeitsweisen eröffnet, mit deren Hilfe wir die komplexen Krankheitsbilder unserer Patienten ergründen können. Am Computer wollen wir Vorgänge im Inneren des Körpers so nachvollziehen, wie sie in der Natur ablaufen. Dabei stellen wir häufig fest, dass es so wie wir uns das bislang vorgestellt haben, nicht funktioniert. Die Modellierung am Computer ist eine gnadenlose Überprüfung unserer eigenen Hypothesen. Sie zeigt uns auf, an welchen Stellen wir mit den eigenen Vermutungen zu unkritisch umgegangen sind und wo wir neu ansetzen müssen.

Konnten Sie sich auf Anhieb mit der interdisziplinären Arbeit anfreunden?

Meine medizinische Ausbildung habe ich von Anfang an mit experimenteller Forschung verbunden. Dabei stieß ich zunehmend in Bereiche vor, die mit Intuition und einfachen Methoden alleine nicht mehr zu erfassen waren. Als junger Postdoktorand bin ich dann zum ersten Mal mit der Systembiologie in Berührung gekommen. Natürlich musste ich zunächst einmal lernen, wie zum Beispiel ein Mathematiker Probleme angeht. Der Experimentator muss verstehen, was den Modellierer antreibt. Und der Modellierer muss ein Verständnis für die biologischen Probleme entwickeln. Dieses Grundprinzip ist eine fortwährende Herausforderung.

Auch die FORSYS-Initiative sollte die Vernetzung der Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen vorantreiben. Welche Rolle hat diese Förderung für Ihre Karriere gespielt?

Für mich persönlich ist FORSYS ein ganz entscheidender Bau-stein gewesen. Als junger Arbeitsgruppenleiter hätte ich nie ein so riskantes und komplexes Projekt angehen können ohne diese Förderung und das Netzwerk im Rücken. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit führt schließlich nicht innerhalb weniger Monate zu publizierbaren Ergebnissen. Systembiologie-Projekte erfordern eine langfristigere Perspektive und eine breite Zusammenarbeit. Darüber hinaus hat mir diese Nachwuchsgruppe einen unheimlichen Schub gegeben und mir letztendlich ermöglicht, meine Projekte in einem eigenen Institut zu bearbeiten.

Was würden Sie jungen Wissenschaftlern empfehlen, die den Weg in die Systembiologie gehen wollen?

Es gibt meines Erachtens keinen Königsweg. Was mir persönlich besonders am Herzen liegt, ist die Umsetzung der Ergebnisse aus der systembiologischen Forschung in die medizinische Praxis. Dafür ist es unheimlich wichtig, Ärzte und Medizinstudenten für diese Disziplin zu begeistern. Doch auf der medizinischen Ausbildung lastet ein enormer ökonomischer Druck. Im Vordergrund steht die Ausbildung von Hausärzten, die die hundert häufigsten Erkrankungen auf möglichst kostengünstige Art behandeln sollen. Das ist ein Umfeld, das nicht gerade dazu einlädt, sich mit innovativen und finanziell risikobehafteten Ansätzen zu befassen. Ich glaube, dass die Systemmedizin künftig sehr viel leisten kann, auch im Sinne einer kosteneffizienten Diagnose und Therapie, aber dafür muss man eine Zehn-Jahres-Perspektive betrachten.

Wo sehen Sie die Systembiologie in zehn Jahren?

Die Systembiologie wird immer alltäglicher werden, ähnlich wie die Molekularbiologie, die heute ja auch kein separiertes Fach mehr, sondern ein integraler Bestandteil fast aller medizinischen und biologischen Forschungsrichtungen ist. Sowohl die technologische Weiterentwicklung als auch der Aufbau einer Community führen dazu, dass immer mehr Projekte systembiologische Komponenten enthalten. Die Systembiologie ist in vielen Bereichen schon jetzt ein erfolgreicher Selbstläufer. Bei der Systemmedizin wird das noch länger dauern.

 

Die Biologin

Der Physiker

Portraitbild Prof. Schmeck

Kontakt

Prof. Dr. Bernd Schmeck
Institut für Lungenforschung
Philipps-Universität Marburg
bernd.schmeck@uni-marburg.de

FORSYS

  • Förderzeitraum:
    2007-2011
  • Fördervolumen:
    ca. 45 Millionen Euro