Diagnose Brustkrebs – diese Nachricht erhalten jedes Jahr rund 69.000 Frauen in Deutschland. Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Therapiemöglichkeiten. Ein internationales Forschungsteam sucht nach der optimalen Kombination für jede einzelne Patientin.

von Melanie Bergs und Gesa Terstiege

Seit dem Fall von Angelina Jolie ist vielen bekannt, dass einzelne Gene für die Entstehung von Brustkrebs verantwortlich sein können. Die US-Schauspielerin trägt das BRCA1-Gen in sich, das das Brustkrebsrisiko deutlich erhöht. Sie ließ sich ihre Brüste daher präventiv entfernen. Doch die Gene können nicht nur für das Risiko einer Erkrankung, sondern auch für den Erfolg einzelner Therapien entscheidend sein. Dieses Wissen macht sich ein internationales Forschungsteam zunutze. Sein Ziel: Gene und Biomarker zu identifizieren, die wichtige Informationen über die Prognose, den Therapieerfolg und die beste Therapiekombination liefern.

Dank intensiver Forschung gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten, Brustkrebs zu behandeln. Dazu zählen neben der klassischen Chemotherapie moderne Immuntherapien und antihormonelle Behandlungen. Letztere kommen zum Einsatz, wenn das Tumorwachstum durch Hormone gefördert wird. Doch jede Frau und jeder Tumor verfügt über ein eigenes genetisches Profil. Einzelne Therapien sind daher nicht bei allen Brustkrebs-Patientinnen gleichermaßen erfolgreich. Nicht immer schlagen die Medikamente wie vorgesehen an, oder der Tumor entwickelt während der Behandlung Resistenzen.

„Therapiewahl noch zu häufig dem Zufall überlassen“

„Es können jedoch nicht alle möglichen Therapien bei einer Patientin getestet werden. Daher bleibt die Auswahl bisher noch zu häufig dem Zufall überlassen. Das wollen wir ändern“, sagt Professor Dr. Peter Fasching vom Universitätsklinikum Erlangen. Sein Team ist Teil des internationalen Forschungskonsortiums aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen wie Bioinformatik, Biologie und Medizin. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert den deutschen Partner des Konsortiums im Rahmen der europäischen Fördermaßnahme ERACoSysMed mit rund 300.000 Euro.

Das menschliche Genom verfügt über ungefähr 20.000 Gene. Die Forschenden benötigen also große Fallzahlen, um mögliche genetische Muster zu finden, die den Therapieverlauf beeinflussen. Dafür führen sie die klinischen und molekularen Daten von Tausenden Patientinnen aus verschiedenen internationalen Studien zusammen. Um diese riesigen und komplexen Datenmengen auszuwerten, setzen sie Computermodelle ein, die etwa gezielt nach Biomarkern für den Therapieerfolg suchen.

Software soll beste Behandlung vorschlagen

Hoffnungsvolle Kandidaten werden anschließend in biologischen Experimenten überprüft. Hierfür züchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kleine Tumorkopien im Labor und testen daran die vom Computer vorgeschlagenen Therapiekombinationen. „Erste Ergebnisse haben wir schon“, erklärt Fasching. „Es ist allerdings noch zu früh, um statistisch valide Aussagen zu treffen.“ Im Erfolgsfall könnten Ärztinnen und Ärzte künftig schon vor Beginn einer Brustkrebs-Behandlung die beste Therapiekombination auf Basis der genetischen und molekularen Daten maßgeschneidert für jede einzelne Patientin auswählen.

In der klinischen Praxis könnte das so aussehen: Zunächst werden das genetische Profil und weitere molekulare Daten der Patientin und des Tumors bestimmt. Eine spezielle Software analysiert diese Daten und schlägt dann die beste Behandlung vor oder zeigt auf, wenn eine Patientin aufgrund ihrer guten Prognose keiner weiteren Therapie bedarf. „So kann den Betroffenen im besten Fall eine erfolglose Therapie mit schweren Nebenwirkungen erspart bleiben“, sagt Fasching. Doch das Forschungsteam denkt noch einen Schritt weiter. Wenn die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die molekularen Ursachen für die Entstehung von Resistenzen aufdecken, können neue Wirkstoffe entwickelt werden, die diese in Schach halten. „Bis dahin brauchen wir jedoch noch einen längeren Atem“, meint Fasching. „Krebsforschung ist ein Marathon, kein Sprint.“

Quelle: Newsletter „Aktuelle Ergebnisse der Gesundheitsforschung" Nr. 105 - Januar 2022